Es war bis zum späten Nachmittag des gestrigen Tages unklar, ob die Wanderung im Tongariro Nationalpark stattfinden kann. Die Wanderung wird nur freigegeben, wenn das Wetter mitspielt. Als ich dann unterwegs war, habe ich sehr schnell verstanden, warum das so ist. Bei Regen verwandelt sich der Boden in eine unkontrollierbare Rutschbahn. Jedenfalls hatten wir Glück, am Abend stand fest: die Wanderung kann stattfinden, erst ab 15 Uhr ist Regen angesagt.
Unsere Reiseleiterin meinte: "Die Wanderung ist anspruchsvoll, aber wenn ich Euch so sehe, denke ich, ihr könntet das alle schaffen. Also wer möchte die Wanderung mitmachen?" Bis auf eine Mitreisende haben sich alle gemeldet, ich auch. Worauf ich mich da einlasse, war mir nicht wirklich klar. Wenn ich gewußt hätte, was auf mich zukommt, hätte ich wahrscheinlich die Wanderung nicht mitgemacht. Alpine Wanderung - das weiß ich jetzt - hat mit den Wanderungen im Spazierschritt von Greenhorns wie mir in Thüringer Mittelgebirgen nicht das Geringste zu tun. Wie dem auch sei, ich wußte schon, dass da eine gewaltige Herausforderung auf mich zukommt. Und ich wollte es wissen.
Jetzt weiß ich: das Fotografieren der alpinen Flora wird in Zukunft definitiv nicht zu meinem Portfolio gehören. Mein Ziel war nur, anzukommen, bevor ein Suchtrupp sich auf den Weg nach mir macht.
Das hört sich dramatischer an, als es ist: Bevor uns der Busfahrer, der uns zum Startpunkt der Tour gefahren hat, in die wilde Natur entließ, mußten wir uns mit Namen, Handynummer und Hoteladresse in eine Liste eintragen. Er sagte, wenn wir zum letztmöglichen Termin nicht am Ziel angekommen sind, wird ein Suchtrupp uns entgegenkommen. Das fand ich schon sehr beruhigend.
Ich habe es geschafft, aber es hat mich an meine körperlichen Grenzen geführt. Es galt eine Wegstrecke von 19,4 km zurückzulegen. Das allein war für mich schon grenzwertig. Aber dann noch 1 km himmelwärts. Was das bedeutet, hab ich beim Abstieg erst wirklich kapiert. Ich habe atemberaubende Landschaften gesehen und tolle Bilder mit nach Hause gebracht, aber der Preis war hoch. Auf dem letzten Drittel des Weges war jeder Schritt nur noch schmerzhaft, weil es immer nur noch nach unten ging. Das machen die Knie nicht lange mit, ohne zu protestieren. Ich dachte, ich kann in den nächsten Tagen keinen Schritt mehr tun. Aber so war es nicht, ich hatte zwar Mühe mit dem Gehen, aber längst nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte.
Sieh dir die Bilder an und entscheide selbst, ob sich die Mühe gelohnt hat. Nachdem ich es hinter mir habe und die positiven Erinnerungen an diesen Tag die Oberhand gewinnen, würde ich sagen: Ja, aber einmal reicht.
Zum Schluß sei noch gesagt, dass wir unheimliches Glück mit dem Wetter hatten. Bei meiner Tour kam kurzzeitig Nebel auf, er erwischte mich gerade, als ich ganz oben auf dem Gipfel war (Bild 17 ff). Das fand ich gar nicht lustig. Als der Nebel so dicht wurde, dass ich den "Weg" vor mir nicht mehr erkennen konnte, habe ich mich hinter den erstbesten Stein gehockt und gewartet. Nach einer Viertelstunde hatte sich der Nebel glücklicherweise verzogen, so dass ich das letzte Shuttle, das uns zum Hotel zurückbrachte, gerade noch erreicht habe - am Ende meiner Kräfte, aber zufrieden. Der Regen fing erst an, als wir 17:30 Uhr zurück zum Hotel fuhren.
Letzte Änderung: 01.11.2024